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Unsere Einschätzung zum TvÖD

Unsere Antwort auf die Krise – Streik ist die Devise!

Die Verhandlungen zwischen ver.di und den Kommunalen Arbitgebern sind zu einem vorläufigen Ergebnis gekommen, über das jetzt alle ver.di Mitglieder, die im öffentlichen Dienst arbeiten, vom 4.-12.5. abstimmen können. Überall wirbt die Gewerkschaftsspitze dafür, das Ergbnis anzunehmen.
Die wichtigsten Punkte des Verhandlungsergebnisses sind folgende:
– Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 3.000€ 
– Tabellenwirksame Erhöhungen ab dem 1. März 2024 um einen Sockelbetrag von 200€ plus 5,5%. 
– Studierende, Auszubildende und Praktikant*innen erhalten im Juni 2023 ein Inflationsausgleichsgeld von 620€ sowie in der Zeit von Juli 2023 bis einschließlich Februar 2024 monatlich 110 Euro netto. 
– Die Ausbildungsentgelte werden ab März 2024 um 150€ erhöht. 
– Die Laufzeit des Tarifvertrages beträgt 24 Monate bis zum 31. Dezember 2024.
Aus unserer Sicht bleibt das Ergbenis hinter den anfänglichen Forderungen zurück. Eine Verbesserung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen ist damit nicht zu erwarten, nur eine Abschwächung der Auswirkungen durch die Inflation. Deshalb werden wir mit NEIN stimmen und rufen alle dazu auf, das auch zu tun. Wir wären bereit für einen Streik!
Warum wir denken, dass das Ergbnis nicht so gut ist, wie aktuell überall behauptet wird:
1) Die längere Laufzeit wälzt das Risiko der Inflation auf die Beschäfigten ab
ver.di hat ursprünglich eine Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten gefordert. Jetzt sollen wir uns aber mit einer Laufzeit von 24 Monaten zufrieden geben. Das bedeutet, dass es bis 2025 keine weiteren Lohnerhöhungen im öffentliche Dienst geben wird. Es ist nicht vorhersehbar, wie stark die Inflation bis dahin steigt. Das Risiko, sich für den Lohn dann kaum noch etwas leisten zu können, tragen die Beschäftigten. Für eine Anpassung an die Inflation wäre eine kürzere Laufzeit nötig. 
2) 10,5 Prozent sind nicht zu viel verlangt
Die ursprüngliche Forderung von ver.di war eine Lohnerhöhung von 10,5%. Wir finden, dass vor allem wichtige Sorgetätigkeiten die im Öffentlichen Dienst geleistet werden schon längst aufgewertet gehören und besser bezahlt werden müssen. In Zeiten von Inflation ist eine Forderung von 10,5% bei weitem nicht übertrieben. Stattdessen soll es jetzt nur eine Lohnerhöhung von 200 € plus 5,5% geben und eine gestückelte Einmalzahlung von 3000€. 
Für die Beschäfigten im öffentlichen Dienst können wir davon ausgehen, dass sie sich 2024 insgesamt etwa 13,9% weniger von ihrem Gehalt leisten können als noch Anfang 2022 (Reallohnverlust 2022 im TVöD: -5,5%, Inflation 2023: 6%, 2024: 2,4% = 13,9%, vgl. https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2023/04/tvoed200423.pdf). Für untere Entgeldgruppen wirkt sich dei Inflation noch härter aus, weil insbesondere Energie und Lebensmittelpreise gestiegen sind.
3) Der Sockelbetrag von 200 Euro stärkt untere Lohngruppen. Das finden wir gut.
Für die Lohnerhöhungen gibt es einen Sockelbetrag von 200 Euro. Das heißt, dass schlechter bezahlte Berufe, bei denen eine prozentuale Lohnerhöhung gar nicht so viel mehr bedeuten würde, eine größere Lohnerhöhung bekommen. Wir finden gut, dass es einen Sockelbetrag im neuen Tarifvertrag geben soll, weil gerade diejenigen, die eh schon wenig verdienen, dringend einen höheren Lohn brauchen. Der ursprünglich geforderte Mindestbetrag von 500€ hätte jedoch einen sehr viel deutlicheren Effekt gehabt. 
3) Die tabellenwirksame Erhöhung kommt zu spät
Ab März 2024 gibt es die 200€ + 5,5 Prozent. Das heißt, wir haben jetzt ein weiteres Jahr keine Tariferhöhung. Die ursprüngliche Forderung von ver.di war, sofort 10,5%  mehr zu bekommen und im März 2024 schon über weitere Erhöhungen zu verhandeln. Stattdessen sind die Lohnerhöhungen um ein Jahr verschoben worden, während die Preise weiter steigen.
Der ausgehandelte Inflationsausgleich gleicht zwar unsere Lohnverluste des letzten Jahres aus, die Lohnerhöhungen mit der Anpassung an die höheren Lebenshaltungskosten kommen aber erst 2024. Das heißt für 2023 gehen wir leer aus.
4) Die Inflationsausgleichszhalung ersetzt keine richtige Lohnerhöhung
Die Einmalzahlungen gehen nicht in die Rentenkassen. Insbesondere für viele Frauen, trans*, inter* und nichtbinäre Personen sowie weitere marginalisiertere Personengruppen, aber auch alle im Care-Sektor tätigen Personen ist Altersarmut eine große Gefahr. Höhere Löhne schützen uns davor. Einmalzahlungen nicht.
Außerdem sind die Einmalzahlungen nicht „tabellenwirksam“, das heißt, dass sie keinen Einfluss auf die nächsten Lohnverhandlungen haben und nach dem sie einmal gezahlt wurden eben auch nicht weiter – es sind ja Einmalzahlungen. Aber auch in Zukunft ist damit zu rechnen, dass das Leben teurer wird und wir kontinuierliche Lohnsteigerungen brauchen, damit sich Beschäftigte von ihrem Lohn überhaupt das gleiche weiter leisten können. 
5) Die Lohnerhöhungen sehen nach mehr aus, als sie eigentlich sind
Die Berechnung der ausgehandelten Löhne ist ganz schön kompliziert. Auf der Homepage von ver.di findet ihr ein paar Rechenbeispiele, was das für verschiedene Berufsgruppen bedeutet: https://zusammen-geht-mehr.verdi.de/was-bedeutet-die-tarifeinigung-fuer-dich
     
In den Beispielen können wir erkennen, dass die Loherhöhungen in einingen Besoldungsgruppen sogar über 10,5% betragen. Das heißt aber nicht, dass das zur Abstimmung stehende Ergebnis tatsächlich so ein großer Erfolg ist. Die lange Laufzeit, die späte Lohnerhöhung, die insgesamt niedrigere prozentuale Erhöhung und der Sockelbetrag von 200€ statt einer Mindestgehaltssteigerung von 500€ – damit bleibt das Ergebnis deutlich hinter den ursrünglichen Forderungen zurück.
In Anbetracht der Inflation reichen die Lohnerhöhungen nicht einmal ganz, damit Beschäftigte im öffentliche Dienst ihren Lebensstandard halten können.